Eine syrische Freundin bat mich um Unterstützung bei einer Bewerbung. Wir suchten und sortierten die geforderten Unterlagen „Zusammenmachen?“, fragte sie und nahm die beiden Seiten des Lebenslaufes. „Ja“, sagte ich und stand auf, um einen Tacker zu holen. Als ich zurückkam, hielt mir meine Freundin stolz den Lebenslauf entgegen. Zusammengefügt in der rechten oberen Ecke mit dem Klebestift, der auf dem Tisch gelegen hatte. „Nein, das geht so nicht“, sagte ich halb schmunzelnd, halb streng. „Warum?“, fragte sie. In Deutschland sei das eben nicht üblich, antwortete ich. Meine Freundin zuckte die Schultern. Ich druckte den Lebenslauf neu aus. Es gebe für Bewerbungen einfach bestimmte Regeln, die einzuhalten seien, sagte ich noch und heftete die beiden Blätter zusammen – links oben. So!
Ein paar Tage später sitze ich im Zug und lese einen Artikel über Flüchtlinge. Die Landschaftsbilder auf der anderen Seite des Fensters ziehen an mir vorbei. Ich sinniere über Integration und Anpassung, das Eigene und das Fremde, das voneinander Lernen und das gegenseitige Hinterfragen. Ich denke an den zusammengeklebten Lebenslauf, daran, wie ich belehrend auf vermeintlich unumstößliche Regeln aufmerksam gemacht hatte. Ich komme mir beschämend überheblich vor. Meine syrische Freundin hatte sich mit den Mitteln, die ihr im Augenblick zur Verfügung standen, zu helfen gewusst. Der Klebestift lag bereit und sie nutzte ihn ganz praktisch. Warum nicht? Dem Empfänger oder der Empfängerin der Bewerbung hätte die persönliche Note vielleicht sogar gefallen.