Leben im Augenblick begreifen

Sie ist auf der Erde, um ihre Netze zu spinnen

Wie sind die Dinge, Lebewesen, Zustände in ihrem ursprünglichen Sein, bevor wir anfangen sie einzuordnen, zuzuordnen, abzuwägen, sie nützlich, schön, sympathisch, schrecklich, unmöglich zu finden? Es ist dieser kurze Augenblick des puren Wahrnehmens, für-Wahr-nehmens, der die Essenz des Lebens enthält.

Manchmal überkommt es mich, und ich will nichts mehr wissen aus zweiter Hand, sondern alles direkt be-greifen lernen. Wer könnte mir mehr über eine Rose erzählen als eine Rose? Ich frage die Spinne, warum sie ihr Netz vor meine Tür spinnt, wo sie doch wissen müsste, dass ich gleich hinausgehe und ihr Werk zerstören werde. Doch die Spinne denkt nicht daran, sich darüber Gedanken zu machen. Sie ist auf der Erde, um ihre Netze zu spinnen. Auch wenn morgen die Welt untergeht.

Wahr-nehmen und neu sortieren

Alles noch da und doch anders

Ich nehme einmal ander(e)s wahr,

wirbele durch die wohlsortierte Schublade meines Lebens,

plötzlich steht nichts mehr an seinem Platz,

ich werfe schnell ein Tuch darüber,

ein Tuch der Ängste, der Unklarheit, des Nicht-Wissens.

Darunter rumpelt es gewaltig.

Viel, viel später

hebe ich das Tuch,

alles ist noch da,

an einem neuen Platz,

anders.

Ein bisschen chaotischer,

unerwartet,

gewöhnungsbedürftig,

irgendwie stimmiger.

Es ist genug

Sommersonnwend-Energie

Sommersonnwende, alles ist da. Auch all unsere Schmerzen und das klare Nein zu all dem, was die Erde, die Tiere, Pflanzen und Menschen verletzt, bedroht, missachtet. Licht und Dunkel begegnen sich. Wir feiern die Fülle und schreien unsere Wut hinaus. Es ist genug.

Dem Machen die Macht nehmen

Mal einfach nur wahr-nehmen

„Ja, haltet mal still, hört mal erst euer Herz schlagen und wie viel Angst drin ist. Ja, haltet mal still und legt die Hände auf euren Nabel und spürt die wilden Rhythmen, die da gegeneinander branden, das Durcheinander, die Verwirrung. Ja haltet mal still und werdet bescheiden und klar: Wir wissen nichts, aber wir tun ständig etwas…“ Die Worte der weisen Ute Schiran klopfen an und setzen sich in meinem Kopf und Körper fest.

Ja, dem Machen die Macht nehmen.

sich nicht so verdammt wichtig nehmen.

mit allen Sinnen wahrnehmen.

die Sprache der Erde aufnehmen.

sich und die anderen ernstnehmen.

das Leben annehmen.

nichts hinnehmen.

Europa geht an den Strand

Kanadierinnen, Europäerinnen? Auf jeden Fall in Köln heimisch geworden.

Der feine Business-Pinkel Zeus rast mit seinem E-Roller über den Gehweg

und fährt Europa um, die vom Kirchenstreik Maria 2.0 kommt.

Die junge Frau stürzt auf einen hechelnden Mops, dessen Herrchen sie eine Tierquälerin schimpft.

Goldmünzen rollen aus Europas Taschen, nach denen die Umstehenden gierig greifen.

„Was liegst du hier auf der Straße, du Pennerin?“, schreit eine Radfahrerin. „Hast du nichts Besseres zu tun?“

Doch, denkt Europa, steht auf, schüttelt ihren Rock und macht sich auf den Weg zurück zu den blumenreichen Wiesen und dem Meeresrauschen am Strand von Sidon.

Ich weiß

Glauben? Hm, Spiritualität gefällt mir besser, sage ich, als ich mich mit einer Freundin über das Göttliche unterhalte. Aber du glaubst doch auch, sagt sie. Du glaubst doch zum Beispiel, dass du mit dem großen Ganzen verbunden bist. Nein, erwidere ich. Das glaube ich nicht. Das weiß ich. Was sie überheblich findet – und ich völlig normal.

Ich weiß, dass es eine Leben spendende Schöpferinnen-Kraft gibt.

Ich weiß, dass sie allem innewohnt – den Menschen, Tieren, Pflanzen, Steinen, der Erde, dem Universum.

Ich weiß, dass der Körper göttlich ist wie der Geist und eine Ratte genauso wie ein Schwan.

Ich weiß, dass nichts und niemand mehr oder weniger wert ist.

Ich weiß, dass alles miteinander verbunden ist.

Ich weiß, dass Liebe alles zusammenhalten kann.

Ich weiß, dass wir Natur sind und ohne Natur nicht (über-)leben können.

Ich weiß, dass die Lebensenergie nicht zu zerstören ist.
Der Mensch schon.

Stürmische Zeiten

Wind-Drache

Die Winde zerren an den Gliedern, Schneegraupel stechen ins Gesicht, Regen peitscht um die Ohren, Äste fallen vor die Füße, längst vergessene Herbstblätter verfangen sich in den Haaren: Die freundliche Frühlingsgöttin schickt ihre stürmische Schwester voraus. Die kennt keinen Schlaf und keinen Spaß. Sie packt uns heftig und schüttelt uns durch. Die Kräfte der Natur wollen gehört werden. Wenn ihre leisen Mahnungen nicht wahrgenommen werden, dann erschüttern sie den Alltag eben gewaltig und zeigen so ihre Macht. Stürme fegen im Außen wie im Inneren durchs Leben. Um nicht von einem wütend fallenden Baum erschlagen zu werden, gehe ich ins Haus zurück. Halte (mich) inne(n auf).

Baum-Drache

Uralte Visionen

Schnee-Gestalten

Der Schnee knarzt unter meinen Füßen wie der Boden einer abgelaufenen Holztreppe. Gerade frisch gefallen, erinnert er mich an etwas Uraltes. Schnee ist immer anders und immer Schnee. Nicht derselbe, doch sehr ähnlich dem vor einer Woche, im letzten Winter. Das vermeintlich Neue enthält das Vergangene, wie das Junge im Alten präsent ist. So werden auch unsere Visionen von dem geprägt, was war wie von dem, was wir uns wünschen – und auch das ist schon irgendwann einmal gewesen. Vielleicht sind Visionen ja Erinnerungen an etwas, was wieder ins Leben geholt werden will.

Halt, um den Nebel auszuhalten

Oft kommen die Visionen im Schlaf – wie bei der Priesterin im Tempelschlaf aus dem Hypogäum von Malta

Die Visionen tun sich manchmal schwer, aus dem Nebel ins Mondsichel-Licht zu treten. Bevor sie selbst klar werden, wollen sie noch ein paar Fragen geklärt wissen: Wer bist du zurzeit? Wozu bist du bereit? Welches sind deine Ängste? Um mich bei den Antworten nicht im Nebel zu verlieren, suche ich nach festen Wurzeln. Die sind dort, wo ich mich zuhause fühle – in diesem Fall sehr weit unten oder ganz weit oben. Ich verbinde mich mit der Feuer-Energie der Erde und mit dem Licht meiner Sternenfamilie. Die beiden Kräfte geben mir Selbst-Vertrauen, sie helfen mir, meine Möglichkeiten und meine Grenzen zu sehen. Wenn ich Halt habe, lässt sich der Nebel aushalten. Und irgendwann löst er sich auf.

Mit Krähen-Kraft ins neue Jahr

Mit gezücktem Schwert rennt ein Mensch wütend gegen eine Steinmauer. Zwei Krähen, auf einem Baumstamm oben auf der Mauer balancierend, schauen ihm amüsiert zu. Im neuen Jahr möchte ich immer öfter wie eine dieser Krähen die Welt betrachten.

Das Bild gehört zu einem Tarotset. Die Mauer hat sich der Mensch selbst geschaffen und fühlt sich nun gefangen. Er versucht, zu entkommen – mit Mitteln, die ihn vermutlich eher zerstören als dass er die Mauer einschlagen könnte. Ein Teil der Schwerter liegt schon zerbrochen am Boden. Der Mensch verliert im Kampf seine Kraft und erreicht nichts. Würde er einmal von seinem Anrennen ablassen, könnte sich ein Fenster auftun. Oder die Krähen ließen den Baumstamm hinuntergleiten, sodass der Mensch auf ihm nach oben und hinaus klettern könnte.

Die Krähen kennen die Verhältnisse in der Gefangenschaft, und sie sehen die Möglichkeiten außerhalb. Sie hüten als mächtige Krafttiere die Gesetze des Universums und sie wissen, wenn unser Handeln nicht mehr im Gleichgewicht ist mit diesen Gesetzen. Die Krähen-Kraft hilft uns dabei zu erkennen, wo wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher, wo etwas im Argen liegt. Die Vögel verschaffen sich einfach einen Überblick und schauen, welche neuen Wege jenseits der Mauern gegangen werden können. Sie sind wach, kreativ und sehr humorvoll.