Wenn Krokus und Hummel sich begegnen, berühren sie die Herzen und zaubern ein Lächeln ins Gesicht. Die Blumen strahlen Freude, die Hummeln summen sie – die Freude über die wiederkehrende Wärme. Sie sind beide Kinder der unbeschwerten Natur. Die Krokusse wachsen am liebsten auf ungedüngten Almwiesen, die Hummeln genießen den Nektar des Seins.
Mancher Dichter rühmte den Krokus als Lichtgeschenk des Himmels. Ein Farbengeschenk ist er zudem in seiner leuchtenden Buntheit. Mit den Farben lockt er, von seinen Blüten zu naschen. Die Hummel lässt sich gerne beschenken. Ihr Anblick weckt die Sehnsucht nach der Fülle des Sommers. Doch gerade die Hummel lehrt uns, auf das Wunder des Jetzt zu vertrauen.
Es
war einmal an einem Tag, an dem die eisigen Lüfte des Winters in
ihre Heimat gen Norden zogen und die Vögel den Frühling aus dem
Süden mitbrachten. Da schlich Coyote missmutig über die sanftgrünen
Hügel. Je mehr die Sonne seinen Pelz wärmte, umso grimmiger knurrte
er seine strahlende Umgebung an. Er war schlecht gelaunt. Sehr
schlecht gelaunt. Von Natur aus gab er sich nie geschlagen. Selbst
wenn jemand dabei war, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen, fand
er einen Ausweg. Doch nun hätte er nichts dagegen gehabt, in eine
tiefe Schlucht zu stürzen und eben mal nicht davonzukommen. „Mein
Leben hat keinen Sinn mehr!“, jaulte er selbstmitleidig.
Die
Zeiten, da er den Menschen geholfen hatte, sich auf der Erde
zurechtzufinden, da er ihnen den Umgang mit Messer und Gabel
gelehrt und sie mit seinen Späßen zum Lachen oder zum Fluchen
gebracht hatte, waren längst vorbei. Einst war er der Mächtigste,
Trickreichste, Respektloseste, Listigste, Fieseste,
Überlebens-künstlerischste. Doch neben den neuen Verrücktheiten
der Menschen machten sich seine Späße wie alberner
Kindergeburtstagsklamauk aus. In seiner Not war er mit einem großen
Schiff über das große Meer gefahren, obwohl er Wasser hasste, in
der Hoffnung, auf der anderen Seite des Ozeans noch einen Blumentopf
gewinnen zu können. Pustekuchen! Hier war nichts besser.
Er
kickte mit der rechten Vorderpfote gegen einen Baumstamm. „Autsch!“
Wütend stürzte er sich auf den Baum. „Warum lässt du die
Menschen sich nicht einfach austoben?“, fragte der Baum den
tobenden Coyote, „entweder kommen sie zur Vernunft oder sie
verschwinden. Ganz einfach.“ „Was?“, rief Coyote. „Ich bin
doch kein Baum, der reglos zuschaut. Ich habe einen Job zu
erledigen!“ Er stieß wieder die Pfote gegen den Stamm. „Autsch!“
„Ist das dein Job?“, höhnte der Baum, „dir die Pfote zu
zertrümmern?“ „Genau!“, schrie Coyote. Er erklärte diesem
Baum der so genannten Alten Welt, dass genau dies sein Job war, um
den Menschen zu zeigen, was ihnen passierte, wenn sie sich mit einem
Baum anlegten. Als der Baum einwandte, er sehe keinen Menschen, der
zuschaue, brüllte Coyote: „Genau! Genau das ist mein Problem. Es
schaut mir kein Mensch mehr zu.“ Keiner nahm seine Lektionen mehr
ernst. Der letzte, bei dem Coyote es versucht hatte, hatte einen Axt
genommen und den Baum einfach umgehauen. „Mich hätte der Baum
erschlagen, der Mensch spazierte wohlbehalten nach Hause“, jammerte
Coyote. Er war ein nutzloser, nicht mal besonders alter Kojote, der
sich völlig umsonst lächerlich machte.
Der
Baum, der eine Esche war, ließ einen Sonnenstrahl durch sein lichtes
Laubdach auf Coyote fallen. Der streckte sich und legte sich, müde
geworden, der Länge nach auf die Erde. Die Schnauze in die Wiese
gegraben, brummelte er: „Eigentlich ist es ein viel zu schöner
Tag, um sich über die Menschen zu ärgern.“ Seine Unterlage war
flauschig, und auf dem Ast über ihm zwitscherte eine Amsel ein
federleichtes Frühlingslied. „Was soll’s?“, murmelte Coyote und
schloss die Augen. Die Esche aber kitzelte ihn mit ihren
vertrockneten Blättern in der Nase und sprach: „Du willst also,
dass dir die Menschen wieder zuhören. Ich gebe dir drei Aufgaben.“
Coyote stöhnte. „Drei Aufgaben! Nie!“ Er wollte sich schon
abwenden. „Was für ein Jammer“, sagte die Esche. „Menschen
hören nicht mehr auf Kojoten, und Kojoten nicht mehr auf Bäume.“
„Seit wann hören Kojoten auf Bäume?“, schrie Coyote. „Seitdem
dein Ururgroßvater sein Glied verloren hat, weil er nicht auf einen
Baum hörte“, rief die Esche zurück. Coyote schluckte. Sein Glied
zu verlieren, war ungefähr das Schlimmste, was einem Kojoten
passieren konnte. „Okay“, sagte er ängstlich, „ich kann mir
deine Aufgaben ja mal anhören.“
Die
Esche schmunzelte. „Die erste Aufgabe lautet: Bringe mir drei
Eicheln, die mindestens drei Mal drei Mondinnen kein Licht gesehen
haben.“ Bevor Coyote etwas erwidern konnte, hieß der Baum ihn
streng, nun zu gehen. Die nächste Aufgabe würde er bekommen, wenn
er die erste gelöst hatte, gab die Esche ihm noch mit auf den Weg.
Dann stand sie still vor ihm, als ob sie nie mit ihm gesprochen
hätte.
Coyote
schlich um den Baum herum. Da saß gegen den Stamm gelehnt eine… Er
runzelte die Stirn. Eine junge Frau, ein Kind, eine Alte, ein junger
Mann? Das Wesen hatte zwei Arme, zwei Beine, saß auf Menschenart,
doch Coyote war sich keineswegs sicher, dass er einen Menschen vor
sich hatte. „Hallo.“ Der Kojote sprang einen Schritt zurück.
„Hallo“, antwortete er unfreiwillig krächzend. Die Frau war
seltsam gekleidet. Sie trug eine Kopfbedeckung aus allerlei
Vogelfedern, einen weiten Rock aus bunten Streifen, eine strahlend
weiße Bluse unter einer speckigen Weste und einen zerschlissenen
Lederbeutel an einem geflochtenen Gürtel. An ihren Füßen trug sie
nichts. Das war ungewöhnlich für einen Menschen zu einer Zeit, da
sich der Frühling noch jung und kühl zeigte. Coyote war wieder er
selbst. „Okay“, sagte er lässig, „ich will dich mal eine Frau
nennen, obwohl…“ Er legte eine vielsagende Pause ein. „Okay“,
antwortete die Frau ebenso lässig. „Ich will dich mal einen
Kojoten nennen, obwohl…“ Sie wollte ihm nicht sagen, dass er
aussah wie ein räudiger Hund. „Kannst es ruhig aussprechen. Ich
sehe aus wie ein räudiger Hund“, sagte Coyote missmutig.
Die
Frau sah ihn fragend an, doch sie fragte nichts. „Was tust du
hier?“, fragte stattdessen Coyote. „Nichts“, antwortete die
Frau. Coyote sah sie mit zusammengekniffenen Augen durchdringend an.
Er sah nichts, was sein Misstrauen weckte. Sie sah ihn an wie ein
kleines, unschuldiges Kind. Da kam Coyote ein Gedanke. „Du hast
also nichts vor im Moment?“, fragte er. „Nichts“, sagte die
Frau. „Ich könnte Hilfe brauchen“, sagte Coyote, „bei einem
sehr spannenden Job.“ Die Frau sprang auf. „Gut!“, rief sie
strahlend. Coyote zögerte. Vielleicht würde sie doch eher eine Last
sein, überlegte er. Aber so naiv wie sie schien, konnte er sie für
Arbeiten gebrauchen, die er selbst nicht machen wollte. Was immer das
sein mochte. „Gut“, sagt er. „Dann lass uns gehen.“ Die Frau
fragte nicht, wohin.
Coyote,
der sich trotz zahlloser Rückschläge etwas auf seine Schlauheit
einbildete, hatte bereits einen Plan. Die Menschen, wusste er,
sammelten mitunter Vorräte. Warum sollten da nicht auch irgendwo
drei Eicheln lagern, die mindestens drei Mondinnen kein Licht gesehen
hatten? An einem Nachmittag trabte er durch eine Wohnstraße. Seine
Begleiterin hüpfte an seiner Seite, schlug ein Rad vor ihm,
schnupperte an einer gerade aufgeblühten Blume und zupfte ein paar
Brennnesselblätter, die sie sich in den Mund steckte. Coyote fragte
sich, ob sie ganz bei Sinnen sei. Doch eins stand fest: Sie war der
fröhlichste Mensch – wenn sie denn ein Mensch war – den er je
gesehen hatte.
Coyote
roch, wenn ein Haus menschenleer war. So wurde er schnell fündig. Er
schlich auf seine ganz eigene Art hinein und wunderte sich, dass die
Frau – oder was dieses Wesen auch immer sein mochte – auch ihre
ganz eigene Art hatte, durch verschlossene Türen zu gelangen. Das
Haus war sehr sauber und sehr aufgeräumt. Die Frau sprang durch die
Räume, nahm dieses in die Hand, staunte über jenes. Coyote seufzte.
Wie ein kleines Kind. Vor einer schwarzen runden Dose verweilte sie
länger. Coyote kam neugierig näher. „Alexa“, las die Frau laut
die Worte auf der Dose. „Guten Tag. Was kann ich für dich tun?“
Coyote blickte sich erschrocken um. Auf der Dose blinkte ein
Lichtring. „Alexa. Was ist das?“ „Bitte präzisiere deine
Frage.“ Die Frau lachte. „Eine sprechende Dose. Oder ein Wesen
von einem anderen Stern.“ Die Dose blieb stumm. „Was bist du?“,
versuchte es Coyote. Schweigen. „Antworte mir!“ Stille. „Alexa“,
sagte Coyotes Begleiterin. „Guten Tag. Was kann ich für dich tun?“
„Alexa“, wiederholte die Frau. „Stelle mir bitte eine Frage.“
„Du musst sie beim Namen nennen“, sagte die Frau zu Coyote. Der
murrte widerwillig.
Aber
vielleicht hatte Alexa tatsächlich Antworten. „Alexa“, hob
Coyote an. „Was kann ich für dich tun?“ „Alexa. Wo finde ich
drei Eicheln, die mindestens drei Mal drei Mondinnen kein Licht
gesehen haben.“ „Tut mir leid, das verstehe ich nicht. Präzisiere
deine Frage“ „Alexa. Drei Eicheln…“, begann Coyote. „Eine
Eichel“, fiel im Alexa ins Wort. „Ein männliches Säugetier hat
eine Eichel. Der Baum Eiche dagegen trägt zahlreiche Eicheln. Es
sind ihre Früchte, die im Herbst…“ Alexa holte weit aus und ließ
sich von Coyotes Einwänden nicht beirren. Der hielt sich bald
verzweifelt die Ohren zu. „Du bist eine verdammte Klugscheißerin,
Alexa“, platzte es aus Coyoteheraus.
„Klugscheißerin“, wiederholte Alexa, „das ist eine ambivalente
Wortschöpfung…“ „Nein!“ Coyote verzog sich winselnd in eine
Ecke. „Du hast jetzt genug gequatscht. Alexa, stopp!“ Alexa
verstummte. Coyote blickte seine mysteriöse Begleiterin, die
gesprochen hatte, verwundert an. Zu ihm gewandt, sagte diese: „Lass
uns gehen. Die Dame in der Dose wird mir langweilig.“ Sie sprang
aus dem Fenster. Coyote hechtete hinterher – und landete im
Gartenteich. Prustend zog er sich heraus. „Ihr Frauen macht mich
fertig“, stöhnte er. „Ich glaube nicht, dass Alexa wirklich eine
Frau ist, und ich…“ Coyote schüttelte sich heftig. Seine
Begleiterin freute sich über die Dusche.
Coyote
war nicht gut drauf. Überhaupt nicht gut drauf. Er hegte den
Verdacht, dass die Esche ihn zum Narren gehalten hatte. Mürrisch
tigerte er einen Parkweg auf und ab. Seine Begleiterin saß im
Schneidersitz auf der Wiese. Vor ihr hüpfte ein Eichhörnchen, kam
vorsichtig näher und strich mit seinem Schwanz über die Füße der
Frau. Die flüsterte dem Tier leise ins Ohr. Coyote verdrehte die
Augen. Er kam sich vor wie ein Narr, von Narren umgeben. „Was weißt
du über Narren?“, fragte ihn die Frau. Diese… Sie machte ihn
verrückt. Coyote raste gefährlich knurrend in Richtung
Eichhörnchen. Schnatternd flüchtete das Tier auf den nächsten
Baum. Dann rannte Coyote Zähne fletschend auf die Frau, das Kind,
was immer dieses Wesen auch sein mochte, zu. Sie blieb ungerührt
sitzen, Coyote prallte an ihr ab und landete unsanft auf der Erde.
Als er aufblickte, sah er die junge Frau wie zuvor lächelnd auf der
Wiese sitzen. „Was bist du eigentlich?“, schrie er. Die Frau sah
ihn freundlich an. „Ich bin alles. Und ich bin nichts“, sagte sie
ruhig. Coyote schüttelte sich. Doch die rätselhaften Worte brachten
ihn plötzlich auf eine Idee: „Hast du was mit dieser Esche zu
tun?“
Die
Frau sprang auf und ging leichten Schrittes zum nächsten Baum. Kaum
hatte sie ihren Rücken daran gelehnt, hüpfte das Eichhörnchen auf
ihre Schulter. „Man könnte meinen, du bist ein Eichhörnchen! Was
hast du mit dieser Kreatur zu tun?“, nörgelte
Coyote. Die Frau sah
ihn erstaunt an. „Das gleiche, was ich mit dir zu tun habe. Wir
atmen die gleiche Luft, trinken das gleiche Wasser, die gleiche Sonne
wärmt uns und die gleiche Erde ernährt uns.“ Sie neigte ihren
Kopf zärtlich zu dem des Eichhörnchens. „Und diese Kreatur“,
sagte sie an Coyote gewandt, „könnte dir helfen“. Coyote
verstand nichts mehr, er ließ sich auf die Wiese fallen und kniff
die Augen zusammen. In seinem Kopf drehte sich ein Karussell, auf dem
sich das Eichhörnchen und die junge Frau fröhlich wild drehten.
Etwas berührte seine Schnauze. Das Eichhörnchen saß direkt vor
ihm. „Ich habe gehört, du bist auf der Suche nach drei ganz
bestimmten Eicheln“, fiepte es. Coyote wähnte sich in einem irren
Traum. Das Eichhörnchen aber sprang zu einer Stelle in der Wiese und
grub mit seinen kleinen Pfoten ein Loch in die Erde. Und nacheinander
legte es drei Eicheln vor Coyotes Schnauze. Das Eichhörnchen
zwinkerte dem Kojoten zu. „Drei Mal drei Mondinnen haben sie kein
Licht gesehen…“
Verzicht, Hungern, Buße: Die mit dem Fasten verbundenen Worte machen nicht gerade Lust, sich darauf einzulassen. Vielleicht ist die zeitlich begrenzte Enthaltsamkeit – abgesehen von spirituellen Zwecken – ja auch nur eine Erfindung übersättigter Gesellschaften. Wer würde dem Körper sonst freiwillig Stoffe entziehen, die er zum Überleben braucht? Was zum Fasten geworden ist, mag einst im Jahreszyklus einfach eine Zeit der Erneuerung gewesen sein. Denn jetzt beginnen die grünen Wildkräuter zu sprießen. Sie versprechen Stärkung und Reinigung und machen uns nach der Winterstarre fit.
Nicht Verzicht ist der Begriff der Wahl, sondern Genuss. Zu genießen sind die frischen Frühlingspflanzen. Der Bärlauch weckt uns aus dem Winterschlaf, die Brennnessel lässt uns gestärkt in die Welt gehen, die Gundelrebe gibt uns Licht und Wärme, das Gänseblümchen zaubert uns ein Lächeln und Leichtigkeit ins Leben. Alle Frühlingskräuter schenken uns großzügig Mineralien, Vitamine, Spurenelemente und Vitalstoffe.
Bärlauch, Brennnessel, Gundelrebe,
Gänseblümchen lassen sich jetzt gerne direkt geplückt pur
probieren. Wenn sie üppig wachsen, gibt es zum Beispiel
Bärlauch-Risotto, Brennnessel-Suppe, Gundelreben-Schokolade und
Wildkräutersalat mit Gänseblümchen, Giersch, Vogelmiere,
Löwenzahnblättern, Taubnessel, Gundelrebe, Spitzwegerich…
(Dressing mit Honig oder klein geschnittenem Apfel süßen).
Die Wildkräuter schenken uns viel. Dafür gebührt ihnen Dank und Wertschätzung. Sie sind Heilerinnen und wollen in Maßen verzehrt werden. Damit verwandeln sie „Verzicht“ in „das richtige Maß finden“.
Zwiebel fein hacken, in der Butter andünsten, den Reis hinzufügen und kurz mitdünsten, den Weißwein angießen und einkochen lassen. Nach und nach die Gemüsebrühe hinzufügen, bei schwacher Hitze einkochen lassen. Das Risotto soll von sämiger Konsistenz sein. Kurz vor dem Servieren den in feine Streifen geschnittenen Bärlauch unterrühren. Mit Salz abschmecken.
(aus: Stefanie Klein, Bärlauch frisch aus dem Frühlingsparadies)
Gundelreben-Schokolade
Blätter der Gundelrebe langsam
trocknen. Schokoladenkuvertüre über dem Wasserbad vorsichtig
schmelzen. Die trockenen Blätter hineinrebeln und unterrühren. Die
Schokolade auf einem Backpapier dünn ausstreichen, abkühlen und
fest werden lassen. Im Kühlschrank lagern und kühl servieren.
(aus: Steffen G. Fleischhauer u.a.,
Essbare Wildpflanzen einfach bestimmen)
Die meisten Wildpflanzen sind nicht giftig. Die oberste Sammelregel lautet: Nur das ernten, was du wirklich kennst und eindeutig bestimmen kannst. Vorsicht ist bei den genannten Kräutern beim Bärlauch geboten. Er kann mit den giftigen Blättern des Maiglöckchens oder der Herbstzeitlosen verwechselt werden. Lieber einmal mehr an den Blättern reiben. Der Bärlauch hat einen unverwechselbaren Knoblauchgeruch. Am besten lernst du Wildpflanzen kennen, wenn du sie dir von einer/einem Kräuterkundigen zeigen lässt.
Das Holz des Haselnussstrauches ist
sehr elastisch und sehr zäh. Du kannst aus den jungen Zweigen Körbe
flechten und dir aus einer Rute einen Pfeilbogen oder einen
Wanderstock anfertigen. Seit jeher war der Haselstab auch ein
magisches Wirkzeug, ein Super-Leiter allerlei Energien. Wer viel zu
geben hat, weiß sich zu schützen. Einen Zweig abzuschneiden, will
gut überlegt sein.
Es heißt, dass es bei den Germanen bei Todesstrafe verboten war, einen Haselnussstrauch zu fällen. Das klingt sehr martialisch, und vielleicht interpretierten Geschichtsschreiber aus anderen Kulturkreisen das Gehörte auf ihre Art und in ihrer Denkweise. Auf jeden Fall gab es eine Zeit, als ein unbedachter Umgang mit diesem zaubermächtigen, nährenden und heilkräftigen Baum unvorstellbar war.
Eine Lektion in Achtsamkeit erteilte
die Hasel mir dieser Tage. Ich entdeckte beim Spazierengehen einen
wunderschönen Strauch voller Haselkätzchen. Ein junger Zweig fiel
mir sofort ins Auge. Das könnte ein prächtiger Zauberstab werden,
überlegte ich mir. Ich fragte nach und meinte, der Zweig sei für
mich bestimmt. Fröhlich ging ich mit ihm nach Hause, öffnete die
Tür, zog Wanderschuhe und Jacke aus, ging aufs Klo – und stutzte.
Wo hatte ich eigentlich den Haselstab gelassen? Er war verschwunden.
Ich schmunzelte. Es war also nicht vorgesehen, dass ich als große Zauberin den Haselstab schwang. Das Erlebnis lehrte mich einmal mehr Respekt vor den Mitbewohner*innen der Erde. Zum Ernten, Sammeln und Nehmen von Bäumen und Wildpflanzen gehört, die potenzielle Schenkerin (in diesem Fall die Hasel) kennen zu lernen, die Absicht zu klären, den Bedarf zu überprüfen, zuerst ernsthaft zu fragen und sich zum Schluss von Herzen zu bedanken. Das Schneiden eines Haselstabes zu magischen Zwecken ist eine ganz besondere Handlung. Die will mindestens dreimal überlegt und gefragt sein. Mondin und Sonne haben auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Also wird mich die Hasel dieses Jahr
begleiten, damit sie mir vertraut wird.
Es macht viel Freude und bereichert den eigenen Wissens- und Weisheitsschatz, sich eine Zeitlang auf einen bestimmten Baum einzulassen, und es lohnt sich, dabei alle Sinne und alle Möglichkeiten der Kommunikation zu nutzen. Für den Kopf gibt es eine Menge an Literatur. Das sind meine Lieblingsbücher über Bäume:
Mythische Bäume, von Ursula Stumpf, Vera Zingsem, Andreas Hase. Blätter von Bäumen, von Susanne Fischer-Rizzi. Bäume & die heilende Kraft des Waldes, von Adelheid Lingg. Bäume. Das Haarkleid der Erde, von Regina Sommer.
Rot, in der Farbe des Lebens, falten sich die weiblichen Blüten der Haselnuss zurzeit aus den Knospen. In diesem Rot schimmert geheimnisvoll ein Blau-violett wie aus einer anderen Welt. Der Haselstrauch ist ein Zauberbaum, der ewig leben kann. Uns Menschen bringt er zum Glück nicht die Unsterblichkeit auf Erden, doch er hält allerlei Schätze bereit. Im ausklingenden Winter ist er oberster Bienenschützer. Sein Pollenstaub, den er schon im Februar verbreitet, ist die wichtigste erste Nahrungsquelle für die bedeutenden Bestäuberinnen.
Zur gleichen Zeit beginnt die Hasel uns ihre materiellen Geschenke anzubieten. Die Kätzchen lassen sich für einen Grippe-Tee trocknen, ihre Flavonoide wirken schweißtreibend, die ätherischen Öle beseitigen Keime. Und die Knospen… mahnen jeden, der schon gedanklich auf dem Weg zum Sammeln ist, innezuhalten. Die Knospen enthalten hochaktive Zellkerne, die gesamte genetische Information des Baumes. In ihnen ist pures Leben, das wertgeschätzt werden will.
Die Hasel will sich mit uns austauschen, sie ist eine Meisterin der Kommunikation. Als der Götterbote Merkur die Urmenschen mit seinem Haselstab berührte, fingen sie an zu sprechen, heißt es in einer Sage. Der Haselnusstrauch ist mit dem Menschen seit jeher besonders verbunden und sie mit ihm. Er wächst meist in ihrer Nähe. Es scheint, als ob der Baum unsere Gesellschaft suche. So suche ich meinerseits die Gesellschaft der Hasel und spreche mit ihr, bevor ich ein Kätzchen pflücke oder eine Knospe abbreche. Ich lehne mich an die vielen Stämme und sinke in ihre Welt, höre einfach nur zu.
Ich flüchte zu der alten Esche, meiner treuen weisen Ratgeberinnen. Der Wunsch nach Innehalten prallt gegen die vermeintlichen Zwänge des Berufs- und Konsumalltags, die Sehnsucht nach Besinnlichkeit kämpft gegen das kalte Flimmern der Elektro-Kerzen, die eigenen Bedürfnisse streiten mit denen der anderen. Alles scheint zu rasen. Der Baum bleibt stehen.
Völlig verwirrt in der allgemeinen Verwirrung bitte ich um einen Hinweis, eine Handlungsempfehlung. Schau, was ist, bevor du dich darin verlierst, was werden könnte, höre ich. Ich setze mich auf eine der Wurzeln und lehne mich an den Stamm. Ich atme tief ein und erleichtert aus. Allein aus dem Sein entsteht Veränderung.