Die Augenbraue der Venus ist eine atemberaubend vielfältige Heilpflanze. In diesen Tagen zeigt sie sich mit ihren jungen, fein gefiederten Blättchen von ihrer zartesten Seite. Die Schafgarbe, wie sie auch genannt wird, ist eine Kriegerinnen-Pflanze. Ihre Kämpfe kennen keine Feinde. In ihrer Welt gibt es kein Entweder-Oder. Sie ist standhaft und zäh genauso wie weich und liebevoll.
Pflanzen haben keine bösen oder guten Absichten, sie kommunizieren anders, sind mit den Maßstäben unseres derzeitigen Menschseins kaum zu erfassen. Deshalb ist es von Nutzen, sie genau wahrzunehmen. Denn sie können uns in ihrer (Vor-)Urteilslosigkeit, ihrem Verwurzeltsein in der Materie und ihren Verbindungen zur feinstofflichen Welt dabei helfen, uns aus dem Strudel aus Misstrauen, Getrenntsein und Gewalt herauszuziehen.
Die Schafgarbe ist für mich eine starke Helferin. Sie ist eine der ältesten Heilpflanzen der Menschen, die Wissenschaft hat mittlerweile über 100 heilwirksame Substanzen in ihr gefunden – eine beeindruckende Zahl, doch die ist lediglich dazu geeignet, unseren aufklärerischen Verstand zu beruhigen. Denn was zählt, ist die Pflanze in ihrer ausgefeilten, einmaligen Gesamtkomposition, worauf zum Beispiel die Kräuterfrauen Ursula Stumpf und Ursula Gerhold hinweisen.
Am Anfang des Kennenlernens steht die Kommunikation mit der Pflanze, bestenfalls über den Jahreszyklus hindurch. Die Schafgarbe ist immer präsent – im Frühjahr mit ihren jungen Blättern, die den Boden berühren, bis in den Winter mit ihren hochragenden trockenen Stängeln. Nehmt die Pflanze mit allen euren Sinnen wahr, streicht über die zarten jungen Blätter, der sie ihren schönsten Namen – Augenbraue der Venus – verdankt, seht sie in ihren aufrechten, kantigen, schwer zu brechenden Stängeln emporwachsen, staunt im Sommer über die Vielfalt ihrer Blütenblättchen, die sich zu einer Dolde vereinen und riecht den herb-süßen Duft. Dann wisst ihr schon jede Menge über dieses Heilkraut.
Benutzt auch den siebten Sinn, setzt euch zu der Pflanze, schließt die Augen, spürt euren Körper und die Verbindung zur Erde, dann nehmt über euer Herz Kontakt mit der Pflanze auf und bittet sie, mit euch zu reden. Dabei können Worte auftauchen, Bilder, Farben. Lasst sein, was sein will. Die Schafgarbe wurde früher in Tempeln aufbewahrt, und die Chinesen werfen das I Ging mit ihren Stängeln. Sie hilft beim Orakeln und Träumen genauso wie beim Grenzen ziehen und den eigenen Raum definieren.
Die Schafgrabe tut das, was Heilerinnen gemeinhin tun: Sie gleicht aus, bringt uns zurück in unsere Mitte und unterstützt uns, im (Lebens-)Fluss zu sein. Für mich ist sie eine Pflanze der Kriegerin und des weiblichen Kriegers, in deren Kämpfen die Regeln des Universums gelten. Sie verbindet Zähigkeit mit Zartheit, Stärke entsteht aus der Vielfalt, das Ziel ist die Wiederherstellung des Gleichgewichts. Und sie lässt kein Blut fließen, sondern stillt es selbst bei groben Verletzungen.
Es gibt viele starke Pflanzenhelferinnen und -helfer. Die Pflanze, die die eine begeistert, muss nicht die Zauberpflanze des anderen sein. Am besten ist es, die eigenen Verbündeten zu finden.
Wer mehr über die Schafgarbe und andere Pflanzen wissen will, dem empfehle ich meine Lieblingsbücher über Heil- und Wildpflanzen:
Susanne Fischer-Rizzi, Medizin der Erde
Anne McIntyre, Das große Buch der heilenden Pflanzen
Luisa Francia, Weidenfrau und Wiesenkönigin
Ursula Stumpf, Kräuter. Gefährten am Wegesrand
Wolf-Dieter Storl, Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor
Steffen Guido Fleischhauer u.a., Essbare Wildpflanzen
D. Aichele, M. Golte-Bechtle, Was blüht denn da?