Frau Holle im Holunder trägt ihr leuchtend-weißes Sternenkleid. Verwandlung ist ihre Kunst, die Liebe ihre Leidenschaft. Der Strauch und die in ihm wohnende Göttin geben ihre Heilkraft dem und derjenigen, der und die bereit ist, aus der Klarheit des Herzens heraus bedingungslos zu handeln. Wie Goldmarie im Märchen.
Frau Holle und ihr Hollerbusch dienen
dem Leben ganz und gar, ohne wenn und aber, sie verbinden schwarz und
weiß, das Werden mit dem Vergehen, sie kennen keine Gegensätze,
sondern nur Ergänzungen wie männlich und weiblich. Die zarten, in
den Himmel weisenden Blüten des Frühlings gehören zu ihnen wie die
satten, sich zur Erde beugenden schwarzen Beeren des Herbstes. Alles
hat Platz, wenn es aus dem Herzen kommt.
Wildpflanzen lassen uns in
symbolträchtigen Bildern schwelgen, die auf ihre Heilkunst
hinweisen. Sie wirken nie nur auf der körperlichen Ebene, sie sind
Nahrung und Medizin auch für Geist und Seele.
Um den Geschmack von Holunderblüten
kennen zu lernen, kannst du einfach eine Blütendolde zusammen mit
einer Scheibe Zitrone in einen Krug mit Trinkwasser geben, kurz
ziehen lassen und das abgeseihte Wasser trinken. Oder du pflügst ein
paar Blüten und zerkaust sie langsam.
Aus den Blüten lassen sich außer
starker Medizin allerlei Leckereien machen: Holundersirup, Marmelade,
Holundermilch, Küchle, Limonade, Sekt. Bevor du die Blüten pflügst,
überlege, was du damit machen willst. Denn auch die Beeren, die an
den nichtgepflückten Dolden wachsen, sind für uns Menschen – und
für zahlreiche Vogelarten – wahre Kraftpakete.
Glauben? Hm, Spiritualität gefällt
mir besser, sage ich, als ich mich mit einer Freundin über das
Göttliche unterhalte. Aber du glaubst doch auch, sagt sie. Du
glaubst doch zum Beispiel, dass du mit dem großen Ganzen verbunden
bist. Nein, erwidere ich. Das glaube ich nicht. Das weiß ich. Was
sie überheblich findet – und ich völlig normal.
Ich weiß, dass es eine Leben spendende Schöpferinnen-Kraft gibt.
Ich weiß, dass sie allem innewohnt – den Menschen, Tieren, Pflanzen, Steinen, der Erde, dem Universum.
Ich weiß, dass der Körper göttlich
ist wie der Geist und eine Ratte genauso wie ein Schwan.
Ich weiß, dass nichts und niemand mehr
oder weniger wert ist.
Ich weiß, dass alles miteinander
verbunden ist.
Ich weiß, dass Liebe alles
zusammenhalten kann.
Ich weiß, dass wir Natur sind und ohne
Natur nicht (über-)leben können.
Ich weiß, dass die Lebensenergie nicht zu zerstören ist. Der Mensch schon.
Frau Percht, die Wilde, die aus dem Chaos (Er-)Schaffende vertreibt die Zeit und fegt hinweg Struktur und Ordnung. Es ist die Nicht-Zeit des Nichtstuns, in der die Träume frei fliegen – in manchmal schwindelerregender Höhe und doch nie absturzgefährdet. Nichts ist wirklich bedrohlich. Denn Frau Percht, die Strahlende, hat zuvor das Licht des Lebens neu entzündet. Dunkelheit und Verwirrung sind aufgehoben in geborgener Stille. Es ist Raum, sich ehrlich selbst zu begegnen.
Die Raunächte beginnen mit der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember und enden am 6. Januar. Sie werden bezeichnenderweise auch Tage zwischen den Jahren genannt und geben uns Gelegenheit, über die Schwelle bewusst in einen neuen Zyklus zu treten. Es ist die Nicht-Zeit des Orakelns, des Räucherns, der Spaziergänge, des Einatmens der klaren, kalten Luft, des Innehaltens, des Überprüfens und des behutsamen Vorausschauens.