Mutig dem Neuen begegnen

Elfen und Feen fühlen sich bei der Lärche heimisch

Die Lärche will frei atmen. Sie wächst am liebsten in luftigen Höhen und strebt zum Licht. Das geht nicht ohne stabile Basis. Tief verwurzelt in der Erde trotzt sie den heftigsten Stürmen, ohne festzuhalten, was loslassen will. Die Lärche ist Symbol für Wagemut und Erneuerung.

Allein durch ihre Daseinsformen sind Bäume als Orte der Ruhe und Kraft zu erkennen. Mich lockte die Lärche. Dabei lädt die schrundige Borke nicht gerade zum Anschmiegen ein. Sie fordert vielmehr den nötigen Respekt. Die Lärche, wie alle Nadelbäume, hütet einen wertvollen Schatz: Ihr Harz ist ein begehrtes Heilmittel. Ihr Holz ist hart und wasserbeständig wie das der Eiche. So bauen die Venezianer auch auf die Stärke der Lärche.

Im Frühling erfreut die Lärche besonders durch die lustig-wilden Pinsel aus den weichen, zartgrünen Nadeln und die purpurroten neuen Zäpfchen. Im Sommer grün, leuchten die Nadeln im herbstlichen Sonnenlicht atemberaubend goldgelb. Anders als andere Nadelbäume wirft die Lärche ihre Blätter ab. Die Zapfen fallen nach vielen Jahren erst mit den Zweigen von den Ästen.

Die Lärche bietet vielen Wesen Lebensraum, Schutz und Nahrung. Vögel, Mäuse und Eichhörnchen machen sich bei ihr ebenso gerne heimisch wie Elfen und Feen. Viele Sagen ranken um Waldfrauen und weibliche Hausgeister, die wohlgesonnenen Menschen zur Seite stehen – Müttern bei schweren Geburten, Familien bei der Pflege der Kinder, Wanderern beim Finden des Weges. Die Elfen und Feen, die an Lärchenplätzen wohnen, helfen den Menschen, solange diese in Einklang mit den Gesetzen der Natur leben und belohnen sie reich.

Das Harz der Lärche wirkt auf körperlicher Ebene durchblutungsfördernd, wundheilend, desinfizierend, schleimlösend und wird zu einer heilsamen Salbe verarbeitet. Ganz einfach ist es, das Harz zum Räuchern zu verwenden. Mit dem Rauch lässt sich Altes verabschieden und Neues begrüßen. Die Räucherungen sind wärmend, entkrampfend, reinigend, stärken die Atmungsorgane und helfen, gestaute Energien wieder zum Fließen zu bringen. Und sie verbinden uns mit den Kräften der Natur, die um uns herum und in uns wirken.

Vielleicht magst du jetzt selbst ausziehen, um die Lärche oder einen anderen Baum zu erforschen, zu erspüren, wahrzunehmen, dich mit ihm auszutauschen. Du kannst damit beginnen, dich an oder neben einen Baum zu setzen und nichts mehr zu denken.

* Wenn du das Lärchenharz sammelst, achte darauf, dass du es nur von verletzten Bäumen nimmst und dass du die Wunde des Baumes dabei nicht aufreißt. Brich vorsichtig etwas von dem Harz ab, das an der Oberfläche schon ausgehärtet ist. Frag den Baum vorher, ob du dir etwas nehmen kannst und bedanke dich danach. Harz ist am besten auf einem Stövchen zu räuchern. So kann sich der feine Duft langsam verbreiten.

Löwenzahn-Kraft

Löwenzahn und Knoblauchrauke

Kinder haben sich eine Natur-Weisheit bewahrt, die wir Erwachsenen uns oft wieder erschließen müssen. Ein bitteres Kraut ist eine ihrer Lieblingsblumen. Spielerisch verbinden sie sich mit der Kraft der Wildpflanze, basteln gelbe Blütenketten, trompeten mit den breiten Stängeln oder bauen mit ihnen Wasserleitungen, verwandeln sich mit Kränzen in Zauberfeen, kleben sich mit dem weißen Milchsaft Gänseblümchen-Schmuck ans Ohr und pusten die silberweißen Samen in die Welt. Kinder sehen das, was ist und machen was daraus.

Den Löwenzahn in den Mund zu nehmen, könnte schon als echte Mutprobe gelten. Furchtbar bitter schmecken Blätter, Stängel, Blüten. Doch auch diese Erfahrung gehört zum Kennen- und Schätzenlernen dazu. Bitter heißt: Geh achtsam mit mir um, ich könnte giftig sein. Der Löwenzahn verlangt, das rechte Maß im Auge zu behalten, denn bitter heißt auch: Ich bin eine starke Medizin. Was uns nicht mehr gut tut, also giftig ist, ist meist eine Frage der Dosis.

Der Löwenzahn will in seiner beeindruckenden Vielfalt wahrgenommen werden. Die strenge Bitterkeit gehört ebenso zu ihm wie die strahlend-gelben Blütensonnen, die robuste Wurzel zeigt seine Qualität wie die zarten Samen. Mit Namen, Aussehen und Geschmack lässt sich schon viel über den Löwenzahn erfahren.

Die US-amerikanische Kräuterkundige Susun Weed hat dem Löwenzahn den Titel Doktor Selbstheilung gegeben. Wildkräuter unterstützen uns dabei, die Verantwortung für unsere Gesundheit in die eigenen Hände zu nehmen. Für die Kontaktaufnahme braucht es nicht viel. Selbst in der Stadt wachsen Löwenzahn und Co. Die einfachste Art des ersten Kennenlernens ist, die Pflanze zu betrachten, zu befühlen und etwas von ihr zu probieren. Es gibt zahlreiche, sehr leckere Rezepte für Speisen mit Wildkräutern. Am einfachsten ist es, sich im Frühling einen frischen Salat zu machen. Es versteht sich von selbst, dass ihr nur die Pflanzen sammelt, die ihr eindeutig bestimmen könnt und dass ihr nur soviel nehmt, wie ihr essen wollt. Es muss nicht viel sein, um sich mit der Pflanze und ihren Kräften anzufreunden.

Nicht selten kommt es vor, dass mir eine bestimmte Pflanze bei meinen Frühlingsspaziergängen immer wieder begegnet. Ich nehme es als Zeichen dafür, dass sie für mich im Moment von besonderer Bedeutung ist. Die Heilkraft der Wildpflanzen hat viele Facetten und Erscheinungsformen, und Doktor(in) Selbstheilung sind sie auf ihre Art alle.

Den Frühling berühren

Ich bin.

Die Eichhörnchen jagen sich im Hinterhof ausgelassen einen Baum hoch und hinunter. Eine Amsel singt dazu ihr Morgenlied. Zwei Krähen schauen von einem alten Antennenmast auf die Welt, und der Himmel beginnt sich im Glanz der Sonne in sein unvergleichliches Blau zu färben. Die bewegten Bilder des Neubeginns lösen die Erstarrung.

Wildkräuter wachsen und warten darauf, uns zu stärken und zu nähren. Das lichte Grün der jungen Buchenblätter tauscht sich aus mit meinem Herzen. Vorsichtig streiche ich über den zarten Flaum eines Blattes. Ich berühre den Frühling, und der Frühling berührt mich.

Widerstand ist zwecklos

Die gelbe Blüte der Kornelkirsche zeigt sich schon im Februar

Der Sturm pfeift, heult, wütet, braust,

tobt, verwirbelt, zerstört,

reinigt.

Unbeeindruckt.

Rück-sichts-los.

Widerstand ist zwecklos.

Ein riesiger Baukran verharrt und kippt um.

Die kleine Blüte der Kornelkirsche geht mit und hält stand.

Das Neue ist schon da

Die Kätzchen der Birke überwintern

Sie zeigen sich schon im Hochsommer, doch erst jetzt im Herbst, wenn die Tage kürzer und kälter werden, bemerke ich sie, weil sie so gar nicht in die Jahreszeit zu passen scheinen: die frischen Kätzchen von Haselstrauch und Birke. Zahlreich hängen sie an den Zweigen zwischen sich verfärbenden und abfallenden Blättern. Genauso wie die weiblichen Blüten in den Knospen scheren sie sich nicht um den nahenden Frost und haben sich entschieden, im Freien zu überwintern.

Die Knospen aller Bäume wachsen spätestens im August. Für mich sind sie ein zutiefst berührendes Symbol. Was auch geschehen mag, das, was ist, gebiert das, was sein soll, lange bevor es wachsen kann. Der Kreislauf des Lebens hat gerade dann, wenn sich die Natur zurückzieht, die Chance und die Gewissheit, sich weiterzudrehen.

Die Knospe enthält den gesamten Zweig mit Blättern und Blüten, der sich im nächsten Jahr entfalten will. Das zarte Neue braucht Schutz. Damit die Knospe nicht erfriert, zieht der Baum die Flüssigkeit aus ihr ab und lagert eine Zuckerlösung ein. Dann ruht die Knospe für viele Monate, um sich schließlich in der Frühlingssonne zu öffnen.

Standhalten und mitgehen

Ich denke nicht, ich sehe

Standhalten oder mitgehen, loslassen oder festhalten, sich wehren oder sich hingeben: Die satten Wiesen, durch die der Wind bläst, kennen kein Entweder-oder, sondern nur ein Sowohl-als-auch. Die Grashalme und Wildblumen biegen sich in einem gemeinsamen Tanz, sie fließen dahin, überlassen sich dem Sturm und bleiben doch fest verwurzelt stehen in den steilen Berghängen.

Der Widerspruch zwischen standhalten und mitgehen löst sich auf. In dem Bewegen und gleichzeitigem Stehenbleiben ist es, als ob die Wiesen Energie im Hier und Jetzt aufnehmen, ihren Teil behalten und das Meiste einfach weitergeben. Es ist, als ob sich ein Strom ergießt über die Kuppen der Hügel und hinauffließt in die oberhalb thronende geheimnisvolle Bergwand.

Die Bergwand betrachte ich lange und immer wieder – ohne Ziel, ohne Grund, ohne Absicht. Sie zieht mich in ihren Bann in ihrer Unerschütterlichkeit und Mächtigkeit, in ihrer Stille und Unergründlichkeit. Ich denke nicht, ich schaue. Mein Kopf darf leer werden, was mir Angst machen kann und im Moment einfach nur befreiend ist. Ich sehe. Die ruhigen Berge, die wogenden Wiesen, die rauschenden Bäume, den Bach im Tal und das Hausrotschwanz-Pärchen über mir, das seine Jungen füttert. Und wenn ich mich zur gegebenen Zeit bewegen werde, dann will ich dabei gut verwurzelt sein.

Bergwiese

Europa geht an den Strand

Kanadierinnen, Europäerinnen? Auf jeden Fall in Köln heimisch geworden.

Der feine Business-Pinkel Zeus rast mit seinem E-Roller über den Gehweg

und fährt Europa um, die vom Kirchenstreik Maria 2.0 kommt.

Die junge Frau stürzt auf einen hechelnden Mops, dessen Herrchen sie eine Tierquälerin schimpft.

Goldmünzen rollen aus Europas Taschen, nach denen die Umstehenden gierig greifen.

„Was liegst du hier auf der Straße, du Pennerin?“, schreit eine Radfahrerin. „Hast du nichts Besseres zu tun?“

Doch, denkt Europa, steht auf, schüttelt ihren Rock und macht sich auf den Weg zurück zu den blumenreichen Wiesen und dem Meeresrauschen am Strand von Sidon.

Frühlingsbegegnung

Freude trifft Freude

Wenn Krokus und Hummel sich begegnen, berühren sie die Herzen und zaubern ein Lächeln ins Gesicht. Die Blumen strahlen Freude, die Hummeln summen sie – die Freude über die wiederkehrende Wärme. Sie sind beide Kinder der unbeschwerten Natur. Die Krokusse wachsen am liebsten auf ungedüngten Almwiesen, die Hummeln genießen den Nektar des Seins.

Mancher Dichter rühmte den Krokus als Lichtgeschenk des Himmels. Ein Farbengeschenk ist er zudem in seiner leuchtenden Buntheit. Mit den Farben lockt er, von seinen Blüten zu naschen. Die Hummel lässt sich gerne beschenken. Ihr Anblick weckt die Sehnsucht nach der Fülle des Sommers. Doch gerade die Hummel lehrt uns, auf das Wunder des Jetzt zu vertrauen.

Wildkräuter verwandeln

Der Name sagt es schon: Der Bärlauch verleiht Bärenkräfte

Verzicht, Hungern, Buße: Die mit dem Fasten verbundenen Worte machen nicht gerade Lust, sich darauf einzulassen. Vielleicht ist die zeitlich begrenzte Enthaltsamkeit – abgesehen von spirituellen Zwecken – ja auch nur eine Erfindung übersättigter Gesellschaften. Wer würde dem Körper sonst freiwillig Stoffe entziehen, die er zum Überleben braucht? Was zum Fasten geworden ist, mag einst im Jahreszyklus einfach eine Zeit der Erneuerung gewesen sein. Denn jetzt beginnen die grünen Wildkräuter zu sprießen. Sie versprechen Stärkung und Reinigung und machen uns nach der Winterstarre fit.

Nicht Verzicht ist der Begriff der Wahl, sondern Genuss. Zu genießen sind die frischen Frühlingspflanzen. Der Bärlauch weckt uns aus dem Winterschlaf, die Brennnessel lässt uns gestärkt in die Welt gehen, die Gundelrebe gibt uns Licht und Wärme, das Gänseblümchen zaubert uns ein Lächeln und Leichtigkeit ins Leben. Alle Frühlingskräuter schenken uns großzügig Mineralien, Vitamine, Spurenelemente und Vitalstoffe.

Bärlauch, Brennnessel, Gundelrebe, Gänseblümchen lassen sich jetzt gerne direkt geplückt pur probieren. Wenn sie üppig wachsen, gibt es zum Beispiel Bärlauch-Risotto, Brennnessel-Suppe, Gundelreben-Schokolade und Wildkräutersalat mit Gänseblümchen, Giersch, Vogelmiere, Löwenzahnblättern, Taubnessel, Gundelrebe, Spitzwegerich… (Dressing mit Honig oder klein geschnittenem Apfel süßen).

Die Wildkräuter schenken uns viel. Dafür gebührt ihnen Dank und Wertschätzung. Sie sind Heilerinnen und wollen in Maßen verzehrt werden. Damit verwandeln sie „Verzicht“ in „das richtige Maß finden“.

Bärlauch-Risotto

30g Butter, 1 Zwiebel, 320g Risottoreis, 300ml trockener Weißwein, 600ml schwache Gemüsebrühe, 2 Handvoll Bärlauchblätter, drei Esslöffel Parmesan, Salz (für 3-4 Personen)

Zwiebel fein hacken, in der Butter andünsten, den Reis hinzufügen und kurz mitdünsten, den Weißwein angießen und einkochen lassen. Nach und nach die Gemüsebrühe hinzufügen, bei schwacher Hitze einkochen lassen. Das Risotto soll von sämiger Konsistenz sein. Kurz vor dem Servieren den in feine Streifen geschnittenen Bärlauch unterrühren. Mit Salz abschmecken.

(aus: Stefanie Klein, Bärlauch frisch aus dem Frühlingsparadies)

Gundelreben-Schokolade

Wohlaromatisches aus dem Reich der Pflanzen-Zwerge: die Gundelrebe oder der Gundermann, ein weiblicher und ein männlicher Name für dasselbe Kraut

Blätter der Gundelrebe langsam trocknen. Schokoladenkuvertüre über dem Wasserbad vorsichtig schmelzen. Die trockenen Blätter hineinrebeln und unterrühren. Die Schokolade auf einem Backpapier dünn ausstreichen, abkühlen und fest werden lassen. Im Kühlschrank lagern und kühl servieren.

(aus: Steffen G. Fleischhauer u.a., Essbare Wildpflanzen einfach bestimmen)

Die meisten Wildpflanzen sind nicht giftig. Die oberste Sammelregel lautet: Nur das ernten, was du wirklich kennst und eindeutig bestimmen kannst. Vorsicht ist bei den genannten Kräutern beim Bärlauch geboten. Er kann mit den giftigen Blättern des Maiglöckchens oder der Herbstzeitlosen verwechselt werden. Lieber einmal mehr an den Blättern reiben. Der Bärlauch hat einen unverwechselbaren Knoblauchgeruch. Am besten lernst du Wildpflanzen kennen, wenn du sie dir von einer/einem Kräuterkundigen zeigen lässt.

Stürmische Zeiten

Wind-Drache

Die Winde zerren an den Gliedern, Schneegraupel stechen ins Gesicht, Regen peitscht um die Ohren, Äste fallen vor die Füße, längst vergessene Herbstblätter verfangen sich in den Haaren: Die freundliche Frühlingsgöttin schickt ihre stürmische Schwester voraus. Die kennt keinen Schlaf und keinen Spaß. Sie packt uns heftig und schüttelt uns durch. Die Kräfte der Natur wollen gehört werden. Wenn ihre leisen Mahnungen nicht wahrgenommen werden, dann erschüttern sie den Alltag eben gewaltig und zeigen so ihre Macht. Stürme fegen im Außen wie im Inneren durchs Leben. Um nicht von einem wütend fallenden Baum erschlagen zu werden, gehe ich ins Haus zurück. Halte (mich) inne(n auf).

Baum-Drache