All-ein

Was hält dich, wenn scheinbar alles zerbricht?

Ich suchte alles – und fand nichts.

Ich wollte alles wissen – und erkannte, dass ich nichts wusste.

Ich wollte alles begreifen – und ich begriff nichts.

Ich wollte etwas Großes tun – und tat nichts.

Nichts tun. Nichts wissen. Nichts suchen. Nichts.

Ich bleibe allein zurück.

Und lausche

auf mein Herz,

das trommelt

zum Lied der Erde.

Das Leben ist der Plan

Strukturen, Vorgaben, Bestimmungen

ergießen sich in die Welt.

Die begleitenden Wortfluten

überschwemmen den Verstand,

der dürstet nach den neuesten Wahrheiten.

Um zu erklären,

einen Sinn zu finden,

einen Plan zu erkennen.

Wenn der Plan wäre,

einmal keinen Plan zu haben?

In Rebellion gegen das Was-Sein-Muss,

für das Was-Ist,

das Leben an sich,

das du jeden Augenblick mit erschaffst.

Krafttier Virus

Wachsen und Vergehen: Buschwindröschen gelangen an eine natürliche Grenze

Das winzige Virus ist ungemein beweglich, doch für die Wissenschaft nur eine infektiöse Struktur, also nicht lebendig. Wäre es ein Lebewesen, gehörte es zu den großen schamanischen Krafttieren. Sein Themenspektrum wäre breit gefächert: Vorstellungen, Ängste, Schutz, Kontrolle, Mitgefühl, das Sein im Hier und Jetzt. Die Medizin des Virus ist eine mächtige. „Grenzen“ könnte die Überschrift des entsprechenden Kapitels im Krafttierbuch lauten. Also, mal angenommen, wir würden uns öffnen für die Weisheit des Virus:

Du denkst, du hast alles im Griff, alles ist machbar? Unsichtbar für dein Auge und absolut lautlos findet das Virus seinen Weg zu dir und überschreitet sämtliche Grenzen, die du in deinem Bestreben nach Kontrolle errichtet hast. Es weist dich hin auf deine Grenz-Setzungen und auf deine Grenz-Überschreitungen.

Grenzen haben durchaus einen Sinn. Du besitzt Grenzen, um dich selbst gegenüber anderen zu definieren und um dich zu schützen. Das Virus fordert dich auf, dir über deinen Schutz Gedanken zu machen. Wie schützt du dich? Schutz bedeutet oft, sich gegen einen Feind zu verteidigen, sich abzuschotten, andere und anderes auszugrenzen, im extremsten Fall zu zerstören. Das Virus lässt sich nicht einfach zerstören. Es erinnert dich daran, dass wahrer Schutz nicht dadurch entsteht, dass du das vermeintlich schlechte Andersartige schwächst, sondern indem du dein Eigenes stärkst. Dadurch gewinnen deine Grenzen Konturen und bleiben durchlässig für die Erfahrungen, die dir das Leben bieten mag. Bist du selbst in deiner Kraft, kannst du dein Gegenüber in seiner Kraft sein lassen. Die Botschaft des Virus ist zudem eine sehr materielle: Wenn dein Immunsystem stark ist, du es nicht unnötig unter Stress setzt und achtsam und genussvoll nährst, respektiere ich deine Grenzen.

Das Virus kommt plötzlich und unerwartet in dein Leben und hat die Macht, vieles außer Kraft zu setzen, von dem du glaubtest, es sei unumstößlich. Als wollte es sagen: Überprüfe deine Gesetze und Gewohnheiten, schau, was du wirklich brauchst, beachte deine Ängste, doch lass dich nicht von ihnen beherrschen, und (an-)erkenne deine Grenzen, deren größte und durchlässigste der Tod ist. Du bist einzigartig und mit allem verbunden. Bleib bei dir und bleib offen für dein Gegenüber. Auch das Virus ist ein Teil deiner Welt.

Wahrheit, Wahrnehmen

Alles ist im Wandel. Oder nicht?

Die Wahr-heit ist selbstverständlich unverrückbar.

Sie wird verteidigt, gerettet, erkämpft. Auf der jeweils anderen Seite steht die Schuld, erfunden von den größten Wahrheitserfindern. Was wahr ist, muss wahr bleiben – zumindest für ein paar hundert Jahre oder mehr oder weniger. Dann wird die Wahrheit zwischendurch kurz verrückt und ist wieder absolut unverrückbar. Still(ge)stand(en) …

… Oder auf der Erde wandeln. Die Füße einen vor den anderen setzen, den Boden spüren, langsam tastend, tanzend, springend, vor, zurück, innehalten und weitergehen. Die Gedanken frei fliegen, die Augen offen und das Herz liebevoll schauen lassen.

Das Wahr-nehmen bewegt sich selbstverständlich mit dem Leben.

Illusion gibt es nicht

Eine andere Sicht der Dinge

Illusion. Das ist die falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit, sagen die Spracherklärer. Die weise Alte, die Wächterin der dunklen Zeit, kichert. Wessen Wirklichkeit, fragt sie forsch? Und kann das, was du für wahr nimmst, wirklich falsch sein? Und was heißt eigentlich falsch? Alte, du kannst ganz schön nerven, die ver-rückte Wirklichkeit ins Absurde verrücken und für noch mehr Verwirrung sorgen. Die Alte beugt sich zu mir. Mit ihren warmen, rauen Lippen berührt sie sanft mein Ohr. „Warum nimmst du deine Wahrheit nicht ernst?“, flüstert sie eindringlich.

Was wäre also, wenn es die Illusion gar nicht wirklich gäbe?

Wahr-nehmen und neu sortieren

Alles noch da und doch anders

Ich nehme einmal ander(e)s wahr,

wirbele durch die wohlsortierte Schublade meines Lebens,

plötzlich steht nichts mehr an seinem Platz,

ich werfe schnell ein Tuch darüber,

ein Tuch der Ängste, der Unklarheit, des Nicht-Wissens.

Darunter rumpelt es gewaltig.

Viel, viel später

hebe ich das Tuch,

alles ist noch da,

an einem neuen Platz,

anders.

Ein bisschen chaotischer,

unerwartet,

gewöhnungsbedürftig,

irgendwie stimmiger.

Dem Machen die Macht nehmen

Mal einfach nur wahr-nehmen

„Ja, haltet mal still, hört mal erst euer Herz schlagen und wie viel Angst drin ist. Ja, haltet mal still und legt die Hände auf euren Nabel und spürt die wilden Rhythmen, die da gegeneinander branden, das Durcheinander, die Verwirrung. Ja haltet mal still und werdet bescheiden und klar: Wir wissen nichts, aber wir tun ständig etwas…“ Die Worte der weisen Ute Schiran klopfen an und setzen sich in meinem Kopf und Körper fest.

Ja, dem Machen die Macht nehmen.

sich nicht so verdammt wichtig nehmen.

mit allen Sinnen wahrnehmen.

die Sprache der Erde aufnehmen.

sich und die anderen ernstnehmen.

das Leben annehmen.

nichts hinnehmen.

Europa geht an den Strand

Kanadierinnen, Europäerinnen? Auf jeden Fall in Köln heimisch geworden.

Der feine Business-Pinkel Zeus rast mit seinem E-Roller über den Gehweg

und fährt Europa um, die vom Kirchenstreik Maria 2.0 kommt.

Die junge Frau stürzt auf einen hechelnden Mops, dessen Herrchen sie eine Tierquälerin schimpft.

Goldmünzen rollen aus Europas Taschen, nach denen die Umstehenden gierig greifen.

„Was liegst du hier auf der Straße, du Pennerin?“, schreit eine Radfahrerin. „Hast du nichts Besseres zu tun?“

Doch, denkt Europa, steht auf, schüttelt ihren Rock und macht sich auf den Weg zurück zu den blumenreichen Wiesen und dem Meeresrauschen am Strand von Sidon.

Ich weiß

Glauben? Hm, Spiritualität gefällt mir besser, sage ich, als ich mich mit einer Freundin über das Göttliche unterhalte. Aber du glaubst doch auch, sagt sie. Du glaubst doch zum Beispiel, dass du mit dem großen Ganzen verbunden bist. Nein, erwidere ich. Das glaube ich nicht. Das weiß ich. Was sie überheblich findet – und ich völlig normal.

Ich weiß, dass es eine Leben spendende Schöpferinnen-Kraft gibt.

Ich weiß, dass sie allem innewohnt – den Menschen, Tieren, Pflanzen, Steinen, der Erde, dem Universum.

Ich weiß, dass der Körper göttlich ist wie der Geist und eine Ratte genauso wie ein Schwan.

Ich weiß, dass nichts und niemand mehr oder weniger wert ist.

Ich weiß, dass alles miteinander verbunden ist.

Ich weiß, dass Liebe alles zusammenhalten kann.

Ich weiß, dass wir Natur sind und ohne Natur nicht (über-)leben können.

Ich weiß, dass die Lebensenergie nicht zu zerstören ist.
Der Mensch schon.

Weltraum-Schätze

Wir schreiben das Jahr 2020. Der Astrophysiker Karl Schneider blickt dorthin, wo der Mars sein könnte und träumt davon, auf dem fernen Planeten eines Tages einen Schatz zu heben. Da landet vor seiner Haustür ein Raumschiff. Ein Wesen, das aussieht wie ein Mensch, steigt aus, und sagt: „Hallo, ich bin auf der Suche nach einem Schatz.“

Karl Schneider zwickt sich schnell in die Hand. Kein Zweifel, er ist wach. Das Wesen kommt näher und lächelt ihn an. Schneider staunt über die indigo-farbene Haarpracht seines Gegenübers. Vielleicht der verkleidete Astro-Alex, überlegt er. „Hallo“, sagt der Astrophysiker. „Seid ihr vom Fernsehen?“ „Fernsehen?“, fragt das Wesen zurück, „was ist das?“ Schneider räuspert sich und stellt sich vor. „Und wer sind Sie?“ „Ein Schatzsucher“, antwortet das Wesen. Er habe sich von einem fernen Planeten auf die Reise zur Erde gemacht, weil es hier etwas ganz Besonderes, Einmaliges gebe, erklärt der Schatzsucher, der also tatsächlich ein Außerirdischer sein will. Schneider hat gerade Urlaub und ihm ist langweilig. Kurz überlegt er noch, dann beschließt er, dem seltsamem Fremden zu glauben. „Gut“, sagt er zu dem Besucher, „dann zeige ich dir einfach, was es bei uns Besonderes gibt.“

Also machen sich der Astrophysiker und der Außerirdische auf die Suche nach dem ganz Besonderen. „Wir haben jetzt immer mehr Autos, die mit Strom betrieben werden, und bald können sie alle ohne Fahrer fahren“, erklärt Schneider. „Aha“, sagt der Schatzsucher. Ein Mädchen hüpft über den Gehsteig. Der Außerirdische lächelt. Merkwürdig berührt, irgendwie, findet Schneider. Das Mädchen sei wohl auf dem Weg in die Kita. „Kita?“, fragt der Außerirdische. Schneider erklärt ihm, was Kitas sind – und was Schulen, Nachhilfeunterricht und Elite-Universitäten. „Aha“, sagt der Schatzsucher.

Sie kommen zu einer riesigen Baustelle. „Das ist was ganz Besonderes“, sagt der Astrophysiker stolz. „Hier entstehen die größten Windkraft- und Photovoltaikanlagen der Welt.“ Dann könnten endlich sämtliche Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. „Aha“, sagt der Außerirdische. Eine Frau mit einem Hund kommt vorbei. Der Hund läuft schwanzwedelnd zu dem Schatzsucher. „Was bist du denn für ein Toller“, sagt der und streichelt das Tier. Irgendwie wehmütig. Schneider erklärt ihm, was eine Hundezucht ist – und was Schweinezucht, Pflanzenzucht und Gentechnik. „Aha“, sagt der Außerirdische.

Vor einem Bankautomaten steht eine Menschenschlange. „Es dauert nicht mehr lange, dann brauchen wir kein Geld mehr, um zu bezahlen“, sagt der Astrophysiker. Und es gebe schon eine rein virtuelle Währung. Etwas nie Dagewesenes. „Aha“, sagt der Schatzsucher. Ein Mann sitzt vor ihm auf der Straße. Der Außerirdische will sich neben ihn setzen. Seltsam erfreut. Schneider hält ihn zurück und erklärt ihm, was ein Obdachloser ist – und was ein Hausbesitzer, ein Angestellter, ein Unternehmer, ein Börsenmakler und ein Global Player. „Aha“, sagte der Außerirdische.

Der Urlaub des Astrophysikers neigt sich dem Ende entgegen. „Okay“, sagt er ungeduldig, da sich die Begeisterung des Außerirdischen über das Gezeigte in Grenzen hält. „Du willst also wissen, was tatsächlich unsere größten Schätze sind?“, fragt Schneider, holt Luft und sagt siegesgewiss: „Das sind Rohstoffe, Gold, Diamanten, Billionen von Dollar und Euro, Aktienpakete, Immobilien..“ „Lass uns hier anhalten“, unterbricht ihn der Außerirdische. Er starrt gebannt aus dem Autofenster. Schneider blickt hinterher und sieht nichts außer Bäumen. Sie steigen aus. Unvermittelt nimmt der Schatzsucher den Astrophysiker freudestrahlend in die Arme und drückt ihn sehr fest. „Danke“, flüsterte er ihm ins Ohr, und im nächsten Moment läuft der Schatzsucher in den Wald. „Lass uns einen Spaziergang machen“, ruft er ausgelassen. Schneider folgt ihm völlig verdattert. Der Außerirdische beugt sich zu einem Strauch, pflückt ein paar Heidelbeeren, hält sie dem Astrophysiker hin und sagt traurig: „Wir hatten vergessen, dass man Geld nicht essen kann.“ Schneider kommen die Worte irgendwie bekannt vor. Er nimmt die Beeren in den Mund. Sie sind etwas ganz Besonderes.


*Ich las einen Zeitungsartikel über Zukunftspläne der Wirtschaft, Rohstoffe auf anderen Planeten und Asteroiden auszubeuten. Darauf fiel mir diese Geschichte ein.